Jim wagte es kaum noch zu träumen. Sein Leben hatte sich von einem Abenteuerspielplatz in seinen zwanziger Jahren in ein Standard-Ikea Modellhaus verwandelt. Die letzte interessante Begegnung, die er hatte, war von zehn Jahren gewesen. Romina hieß sie. Voller Abenteuergeist und Lust pochte ihr Herz und durch ihre Adern schoss das Blut einer Heldin. Wie viele Nächte hatten sie in verschiedensten Zelten und Campingwägen verbracht, nur um am Ende verstritten in unterschiedliche Richtungen weiterzugehen. Er bereute es bis heute, nicht mit ihr mitgegangen zu sein. Damals wollte er… ja, was denn eigentlich? Zu dieser späten Stunde im Wohnzimmer seines beengenden Wohnhauses, da fiel ihm nicht mehr ein, warum er nicht mitkam. Wie so oft roch er beim Spazieren durch den Wald den befreienden Geruch des Abenteuers und dachte an Zeltinnenwände, die ihm wie das Luxusappartment der Wohnwelt vorkam. „Jim? Kannst du mir helfen, die Kinder ins Bett zu bringen?“ rief Tracy ihn aus seinen Träumen wach. Sie war im ersten Stock des Hauses, das ihn schmerzlich daran denken lies, warum er heutzutage nicht aufbrechen konnte. Ja, Tracy hätte er verlassen können. Doch seine Kinder? Er liebte sie nicht, kein bisschen. Vielmehr hatte er sich an sie gewöhnt. Sie spielten einander vor, dass sie eine glückliche Familie seien. „Ich komme“ rief Jim zurück. Um seine Träume loszuwerden hatte er ein Ritual entwickelt: Bevor er zu seinen Kindern lief, wusch er einmal sein Gesicht ab, legte sich ein strahlendes Lächeln an und rannte hoch. Das Adrenalin sollte dann den Rest tun und zumindest für einen weiteren Abend konnte er so tun, als sei alles in Ordnung. Heute war etwas nicht in Ordnung. Denn obwohl er hochgerannt kam, stand Tracy mit verschränkten Armen oben. Jim lächelte sie an, wollte an ihr vorbeigehen, doch aus ihrem Mund hörte er nur: „Jim.. wir müssen reden.“

Von Nicolai