Er stand in der menschenüberfüllten Bahn. Sein Smartphone spürte er in der Hosetasche. Nein, heute nicht – dachte er sich. Heute war der Tag, er wollte es wagen. Denn, wenn er nur leicht schräg nach rechts schaut, dann sah er – sie. Rote Haare, strahlende blaue Augen und Sommersprossen, die nur leicht über die Nase verteilt waren. Gerade war ihr Blick nach draußen gerichtet. Er folgte dem Blick und sah die grüne Landschaft am Zug vorbeiziehen. Wie war nochmal diese Motivationsregel? Von drei runterzählen und dann ansprechen. Er zählte in seinem Kopf also 3..2..1. Es kam aber nichts. Was soll ich denn sagen? Jetzt schaute sie ihn auch noch an, neutral. Ihr Blick verriet nicht, ob er es wagen durfte oder ob er es bleiben lassen sollte. Also schaute er nach unten. Sie war mit ihrem Blick auf weitergewandert. In seinem Kopf stellten sich tausende Fragen: Habe ich gestarrt? Heißt ihr neutraler Blick, dass sie mich nicht mag? Warum hab ich es nicht einfach probiert, verdammt?! Durch den Zug schallte der Lautsprecher: „Nächste Station Berlin Hauptbahnhof“. Zwei Stationen vor Friedrichstraße. Er hatte nur noch zehn Minuten. Seine Hände schwitzten, obwohl er immer noch am selben Ort stand, wie vorher. Ok, nochmal, sagte er sich. Also zählte er von drei runter. Drei, zwei, eins. „Hi“ – Sie blickte kurz auf, irritiert. Er schaute weg, hatte sich wohl nur kurz dehnen wollen. „Hajahhh“, streckte er die beiden Arme in die Luft, nur um zu demonstrieren, dass er sich auch wirklich dehnen wollte. Sie blickte wieder gelangweilt aus dem Fenster.

Von Nicolai