1
Sarah, so hieß sie. Mein Engel, mein liebster Mensch auf der ganzen Welt. Wir begegneten uns an der Singles-Bar der Moderne: Auf Tinder. Erst schrieben wir, dann flirteten wir und dann kam das magischste, was aus dem Smartphone passieren kann: Tatsächlich trafen wir uns in echt! In einer feinen Bar in Hohenstücken. Ihr Gesicht, ihre grün-blauen Augen haben mich sofort angezogen. Wir bestellten also ein Taxi nach dem Date, denn diese Nacht sollte alles entscheiden: Ich wollte sie! Es ging alles so schnell, in Gedanken dreht es sich schon, die Geschwindkeit eines Kennenlernens runtergebrochen auf ein erstes Date.
2
Sarah und ich, wir waren ein so glückliches Paar. Alles machten wir gemeinsam, alles. Jeden Tag wachten wir gemeinsam auf, lasen uns die absurdesten Schlagzeilen aus der Zeitung vor und aßen dabei Orangen. Die Schalen legten wir immer auf die Zeitungsbilder auf denen Donald Trump zu sehen war. Tagsüber verbrachten wir jede freie Sekunde miteinander – wir kochten zusammen, gingen zusammen ins Fitnessstudio und abends schlummerten wir uns bei einem Filmabend auf die Couch. Zwar wollte sie noch ab und an mal telefonieren, aber ich konnte sie zum Glück mit freundlichen Worten davon überzeugen, dass ich doch der bessere Gesprächspartner sei.
3
Sarah und ich, ja wir hatten unsere Probleme. Ab und zu – keine großen Streitereien oder so. Nein, wir waren einfach unterschiedlicher Ansichten. Einmal wollte sie gerne in den Urlaub in die Türkei an den Strand. Da musste ich sie schon mit einiger Überzeugungskraft davon abbringen Tickets zu buchen. Immerhin war mir die Türkei ein viel zu heißes Land! Es kann natürlich auch sein, dass ein bisschen Eifersucht im Spiel war. Sie war ein großer Fan des Filmes Türkisch für Anfänger, guckte jeden Film mit Elias M’Barek und ihr Ex-Freund hatte erstaunliche Ähnlichkeiten mit diesem. Naja, ich habe also heimlich das Konto sperren lassen – dann ging mit dem Türkei Urlaub leider nichts mehr. Nachdem ich dann einen gemeinsamen Kanada Urlaub gebucht hatte, war alles aber wieder in bester Ordnung. Nur mit der Zeit wurde sie immer stiller. Das fand ich ziemlich komisch. Am Anfang war sie noch so gesprächig gewesen. Also konfrontierte ich sie immer häufiger, dass wir doch wieder mehr miteinander sprechen müssten.
4
Wir hatten weitere schöne Zeiten. Sarah wurde ein wenig meine handzahme Puppe. Das meine ich gar nicht abwertend – sie war einfach toll. Wir hatten viel Sex, sie widersprach mir immer seltener und das Kochen hatte sie mittlerweise ganz übernommen. Wir planten schon unser erstes gemeinsames Kind und ich freute mich schon so sehr darauf, Vater zu werden! Alles wurde immer fester zwischen uns. Keine Seele kam unserer schönen Zweier-Welt noch nahe. Klar, manchmal vermisste ich es, Freunde zu haben und Sarah meinte ähnliches auch ab und zu. Aber wir wussten einfach, dass kein Mensch füreinander so gut geschaffen war wie sie und ich! Der große Tag der Hochzeit sollte dann kommen. Wir waren uns auch sicher, dass wir gemeinsam schwanger wurden! Mein Kind, mein Körper – also Sarahs Bauch – einfach bezaubernd.
5
Der Traum ging leider aus. Es war alles so schnell gegangen. Vielleicht war es doch alles ein bisschen viel auf einmal. Was genau geschehen ist, das kann wohl keiner sagen. Doch einen Wunsch, den erfülle ich mir noch. Denn ich wollte ihr den Ring noch anziehen. Den Ring zur Hochzeit, den ich so wunderschön glänzend ausgewählt hatte. Und sei es nur zu ihrer Einäscherung.