Clara war eine begnadete Sammlerin. Jeden Morgen stand sie auf und ging vor die Tür. Denn was Clara am liebsten sammelte, waren nicht Briefmarken. Auch nicht Münzen, wie es viele Menschen zu tun pflegen. Clara sammelte Augen. Sie ging also vor der Tür und suchte die schönsten Augen, die sie in der Nähe fand. Einmal gelang es ihr sogar, dass sie nur die Tür öffnen musste und sie wurde von wunderschönen grün-grauen Augen angelächelt. Es war ihr Postbote. Sie bat ihn also um ein Foto, worüber er sich freute. Denn als Postbote bekam er selten Komplimente für seine Augen.

Heute war es für sie allerdings besonders schwer. Schon seit einigen Stunden streifte sie durch die Stadt, also hatte sie bestimmt schon über hundert Augenpaare betrachtet.

Keines schien ihr den heutigen Tag besonders gut einzufangen. Dies war ich oft besonders wichtig: Die Augen mussten zum Tag passen. Es sollte nicht irgendein Augenpaar sein, es musste sich auch richtig anfühlen.

Sie betrat einen Optikerladen, den hatte sie tatsächlich vorher nicht gesehen gehabt. Der Verkäufer strahlte sie an: „Wie darf ich Ihnen behilflich sein?“ Da wusste Clara, wie ihr zu helfen war.

Zwar hätte sie es schon früher ahnen können, dass sie eines Tages ihr Hobby zum Beruf machen könnte. Doch nun war sie entschieden: „Kann ich eine Ausbildung bei Ihnen machen?“ Der Optiker war sehr erstaunt: „Damit hatte ich nicht gerechnet.“ Sie blickte ihn herzallerliebst an. In den nächsten Minuten konnte sie ihn überzeugen, dass sie, die Augensammlerin, doch die beste Optikerin werden könnte. Denn wer hatte schon so viele Augen in ihrem Leben gesehen wie sie?

Von Nicolai