Der neue Film „Ein Fest fürs Leben“ von Richard Huber ist eine Hommage an den Kapitalismus. In diesem Film geht es um den Hochzeitsplaner Dieter, gespielt von Christoph Maria Herbst, der als Event-Manager eine Hochzeitsfeier plant und durchführt.
Analysieren wir anhand von vier Dimensionen, warum der Film perfekt heutige ideologisch geführte Diskurse über den Kapitalismus abbildet bzw. diese verkörpert.
Hierarchische Strukturen
Dieter ist Arbeitgeber und damit gewissermaßen die Charaktermaske des Kapitalisten. Es wird zwar nicht klar, wie das Eigentumsverhältnis des Grundstücks ist, auf dem er die Hochzeit veranstaltet. Allerdings ist er, selbst ohne Eigentümer zu sein, der Verwalter des Ganzen und vertritt somit das Kapital. Er sendet Befehle aus an seine Untergebenen, entscheidet wer bezahlt wird oder nicht. Und später erfahren wir auch, dass er sich auch für Menschen auf Lohnsteuer oder nicht-Lohnsteuer (schwarzarbeiten) Basis entscheiden kann.
Klassismus und „die faulen Arbeiter“
In dem Film werden die Angestellten von Dieter durchgängig als dumm, faul und unzuverlässig dargestellt. Sein Angestellter aus familiären Kreisen möchte die Braut der Hochzeit anbaggern, der Musiker und seine Catering-Chefin lassen den Bräutigam wortwörlich in die Luft gehen (Er befindet sich an einem Heliumballon, der am Boden gehalten werden müsste und die beiden lassen los). Oder sein Küchenangestellter kann sich keinen Vorwand ausdenken, damit der Chef sich nicht länger als 5 Minuten mit dem Bräutigam unterhalten muss und sagt einfach „Chef, ich habe einen Vorwand“. Grundsätzlich: Ja, es ist eine Komödie und einzelne Witze wären nicht das Problem. Jedoch, wenn der Chef durchgehend als der „professionelle“ dargestellt wird, dann müssen wir uns schon fragen, was dies für eine Ideologie transportiert. Dieter wird auch immer harscher mit seiner Kritik an den Angestellten. Von anfänglichen kurzen verzweifelten Ansagen oder Zurechtweisungen geht es schlussendlich darauf zu, dass er seine Angestellte alle als unfähig und das Fest zerstörend zusammenfaltet.
Sein Ton als Arbeitgeber und damit auch als Herrscher über das Geld wird auch immer wieder sichtbar, wenn er seinen Angestellten mit Rauswurf droht. Der Satz: „Wenn ihr X nicht macht, dann geht einfach. Dann werdet ihr aber auch nicht bezahlt.“ fällt mehr als einmal. Die Bezahlung mit teilweise 100 € für den ganzen Abend ist aber auch sehr bescheiden.
Wir armen Reichen müssen Steuern zahlen!
Wunderbar entlarvend ist auch die Szene, in der Dieter vermutet, die Steuerfahndung sei hinter ihm her. Er tritt einem Mann gegenüber, der den Abend über in der Nähe des Zeltes steht und dies scheinbar misstrauisch beäugt. Als er ihm gegenüber tritt, versucht er es mit einem voreiligen Schuldeingeständnis: Ja, wir haben hier Menschen schwarz angestellt, aber wir armen armen Reichen müssen auch soo viele Steuern bezahlen, da ist das doch ganz normal Menschen ohne Lohnsteueranmeldung einzustellen. Es stellt sich raus, dass der Mann aber daran interessiert ist, das Geschäft zu übernehmen und gar nicht von der Steuerfahndung ist.
Hier sehen wir sehr exemplarisch, wie viele Kapitalisten argumentieren, wenn es um Steuern geht: Die Steuern sind alle Raub und deshalb müssen sie vermieden werden. Der misstrauische Staat macht uns das Geschäft kaputt. Dabei wird die Arbeitnehmenseite völlig ausgeblendet: Der schwarzarbeitende Angestellte trägt nicht nur zur Verringerung der Steuerlast bei, die selbstverständlich der Kapitalist mittragen muss. Nein, er kann so auch keine Kranken-, und Rentenversicherung usw. geltend machen. Dem Kapitalisten sind die Arbeiter nur innerhalb seiner Arbeitszeit wichtig, außerhalb dessen können sie ihm gestohlen bleiben und er übernimmt keinerleit Verantwortung für sie. Daher immer Ohren und Augen gespitzt, wenn es um Kritik von Seiten der Arbeitgeber an den ach-so-hohen Steuern, der Faulheit der Arbeiter oder um „Mehr Bock auf Arbeit“ geht.
Und jetzt einmal in divers bitte
Ja, man kann diesen Film für eine gewisse Diversität loben: Es gibt geflüchtete Menschen, POCs und (wenige) emanzipierte Frauen. Das ist auch schön und gut, dass Mainstream-Filme diverser werden. Doch darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass keine Systemfrage gestellt wird. Im ganzen Film werden die Arbeitnehmer durchweg von ihrem Chef an den Betrieb gebunden und zurechtgewiesen. Die deutlichste Form der Ideologie zeigt sich am Wendepunkt des Filmes: Als sich das Fest wortwörtlich in Rauch auflöst (Aus Versehen wurden die Feuerwerkskörper ausgelöst, der Strom fiel aus und somit war alles voller Rauch und die Gäste haben das Festgelände erstmal verlassen).
Statt, dass die Angestellten das Weite suchen oder eine neue Form des Zusammenschlusses suchen, stellen sie sich schuldbewusst vor ihren Chef. Dieter schnautzt alle, wie oben erwähnt, zusammen. Dann geht er weg. Die Angestellten machen dann trotz allem noch einen schönen kleinen geselligen Hochzeitsabend möglich. Sie fühlen sich also immernoch an ihren Auftrag gebunden, der an kapitale Interessen geknüpft ist. Am Ende wird dann die Catering-Chefin, die sich als scheinbar verantwortlich dafür rausstellt, dann als Nachfolgerin für den Chefposten – anstelle von Dieter – auserkoren. Das nimmt sie auch direkt an und verkündet die ersten Ansagen. Es wird also alles weitergehen wie bisher.
Der Film bildet auf erstaunlich direkte Weise die heutigen Diskurse ab: Ja, lasst uns durch Identiätspolitik einen diverseren Kapitalismus realisieren. Wählen wir eine junge POC als neue Chefin des Unternehmens. Hauptsache wir ändern nichts daran, dass die meisten Menschen ausgebeutet werden.