Franz hat genug. Schon das dritte Mal diese Woche klingelt seine Tür.
Brummend schlurft er zur Tür. „Was wolln sie?“. „Guten Tag!“ strahlt ihn da eine junge Frau an. „Haben Sie schon von unserem Nachbarschafts-Fußballspiel gehört?“. „Nein, keine Zeit, kein Interesse.“ sagt er. „Oh!“ sagt sie und blickt nun, sichtlich irritiert an ihm herunter. „Is was?“ fragt Franz mit misstrauischer Miene. „Na ja, ich dachte sie… so mit ihrer Kleidung… dass sie da schon Zeit… aber was geht mich das an.“ Franz guckt jetzt so grimmig, wie er nur grimmig gucken kann. „Wie bitte?“ setzt er nach. „Ach, sie sind jemand mit Nachtschicht?“. Franz blickt an sich herunter. Was soll denn verkehrt sein an einem Schlafanzug? Denkt er sich. Na gut, also wenn man so ganz normal betrachtet. Also so gesellschaftlich. Dann ist das schon nicht so ganz normal. Aber er ist ja auch nicht ganz normal. Schließlich hat er einen guten Grund jetzt einen Schlafanzug zu tragen. „Wissen sie, ich hab einen guten Grund, warum ich Schlafanzug trage.“ sagt er deshalb zu ihr. Jetzt zieht sie die Augenbrauen hoch. „Ach?“. Ach – denkt auch Franz bei sich. Denn jetzt plötzlich, jetzt da er jetzt in diesem Moment eine Antwort braucht, da fällt es ihm nicht ein. Also lässt er sein Gehirn fabulieren. „Ja, ich bin… Schlafanzug Tester.“ Sie grinst und blickt auf ihr Smartphone, tippt etwas ein. „Was soll das, schreiben sie mit?“. „Nein, nein!“ lacht sie. „Ich habe nur auf Anhieb per ChatGPT 10 bessere Erklärungen gefunden, warum man einen Schlafanzug trägt als die Notlüge von ihnen. „Das war keine Notlü… woher wissen sie das?“. Sie schaut ihn schelmisch an: „So rot wie eine Tomate…“. Franz wird wieder so rot wie eine Tomate. „Na gut, ich gebe mich geschlagen. Sagen sie mir ihre 10 Erklärungen von ChatGPT.“ Nun wird sie rot wie ein Backstein. „Äh“. Plötzlich geht Franz ein Licht auf. „Also mir fallen 10 bessere Erklärungen ein, warum man an einer wildfremden Tür klingelt als ein Nachbarschafts-Fußballspiel.“ Sie schaut verlegen zur Seite. „Warum haben Sie eigentlich geklingelt?“. Da reicht sie ihm eine Bibel. „Wissen sie, ich mach das jetzt noch nicht so lange und da dachte ich, dass ich anders anfange als die anderen Zeugen.“ Da hatte sie recht, das war erstaunlich überraschend. „Darf ich mit ihnen über Gott reden?“ hörte Franz sich plötzlich seltsamerweise fragen. „Och ne, ich muss jetzt mal weiter, irgendwie ist der Vibe dahin.“ Und sie drehte sich beim weggehen noch einmal achselzuckend um.
Franz bliebt verwirrt an der Haustür stehen, die Hand wie zum Abschied noch in der Luft. Dann blätterte er einmal die Bibel auf. Eine Handynummer stand drin. „Sachen gibt’s“ brummte er und schmiss das Buch in seinen Papierkorb.

Von Nicolai